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Digital Leadership: Wieso Führungskräfte digitaler denken sollten

Die Welt braucht mehr denn je sogenannte "Digital Leaders". Unsere Gastautorin erläutert, was eine digitale Führungskraft ausmacht und wieso das Konzept in der heutigen Geschäftswelt unverzichtbar ist.

Sunnie Groeneveld
Sunnie J. Groeneveld
Sunnie Groeneveld

Um Unternehmen und Menschen dabei zu helfen, im sich schnell verändernden und technologiegetriebenen Geschäftsumfeld von heute erfolgreich zu sein, müssen Führungskräfte neue Führungskompetenzen entwickeln. Angesichts der Geschwindigkeit des technologischen Wandels und der digitalen Innovation, die notwendig ist, um Unternehmen wettbewerbstauglich zu machen, wird das Konzept des Digital Leadership - zu Deutsch digitale Führung - in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.  

In diesem Artikel definieren wir Digital Leadership, erklären, welche Führungsrollen zum Digital Leader geeignet sind, und führen ein spannendes Interview mit Sunnie Groeneveld, Studiengangsleiterin des Executive MBA in Digital Leadership.

 

Definition: Was ist Digital Leadership?

Digital Leadership beschreibt die Führungskompetenzen, die Führungskräfte im digitalen Zeitalter benötigen, um die digitale Transformation und Innovationen in ihren Unternehmen voranzutreiben. Digital Leadership verbindet also Strategie, Führung, Kulturwandel, Technologie und Daten, um die Chancen unserer zunehmend vernetzten Welt voll auszuschöpfen.  Ein Digital Leader ist:

  • kommunikativ, inspirierend, flexibel, lern- und risikobereit
  • technologisch versiert und erkennt den Nutzen digitaler Arbeitsweisen

Digital Leadership teilt viele Gemeinsamkeiten mit dem Konzept der agilen Führung. In beiden Führungsstilen geht es darum, agiles Arbeiten zu ermöglichen. Dabei wird die Art und Weise, wie Teams zusammenarbeiten und gemeinsam für die Kundschaft Mehrwert schaffen, optimiert. Ein wichtiger Fokus des agilen Arbeitens ist das stetige Lernen und die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Marktbedingungen.

Bei Digital Leadership wird jedoch der Fokus noch etwas stärker auf das Digitale gelegt. Die Rolle von Technologie sowie digitalen Tools und Arbeitsmethoden findet noch mehr Beachtung.

 

Führungsrollen: Wer eignet sich zum Digital Leader?

Klassischerweise gelten Führungrollen wie der CEO oder der CTO als die Digital Leader in einem Unternehmen. Jedoch kann dies auch tückisch sein, denn Digital Leadership bedeutet eigentlich eine Abkehr von traditionellen Führungsstrukturen, auch wenn diese nicht wirklich ersetzt werden. Mitglieder von Konzernleitungen sind aber oft zu stark in ihrem hierarchischen Denken gefangen, um das volle Potenzial von Digital Leadership auszuschöpfen. Deshalb schaffen viele Unternehmen neue Rollen wie zum Beispiel die des Chief Digital Officer (CDO), um die digitale Transformation erfolgreich zu meistern und Innovationen voranzutreiben.

Grundsätzlich kann aber jede Person zum Digital Leader werden, unabhängig von Position und Rolle im Unternehmen. Denn beim agilen Arbeiten geht es ja genau darum, traditionelle Strukturen aufzubrechen, wodurch plötzlich in allen Teams Digital Leadership gefragt ist.

 

Der Digital Leader Award: Worum gehts?

Über die letzten Jahre hat das Konzept des Digital Leadership an Bedeutung gewonnen, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Ein Zeichen dafür ist der Digital Leader Award, die führende Auszeichnung für Digital Leadership im deutschsprachigen Raum. NTT und IDG Business Media, die Herausgeberin der Computerwoche und Cio.de, zeichnen seit 2016 branchenübergreifend Projekte sowie die dahinterstehenden Teams und Leader aus, welche die Benchmark für die Digitalisierung setzen. Die Jury bewertet Bewerbungen anhand von vier wesentlichen Kriterien:

  • Digital Leadership und Innovationskultur
  • Digitale Methodik
  • Customer Value, wirtschaftlicher Erfolg und Nachhaltigkeit
  • Technologie

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Das Interview mit Sunnie Groeneveld: Was macht digitale Führung aus?

Um tiefer in das Thema Digital Leadership einzutauchen, haben wir Sunnie J. Groeneveld, Unternehmerin, Speakerin und Studiengangsleiterin des Executive MBA Digital Leadership an der HWZ-Fachhochschule in Zürich, zum Interview geladen. Sie teilt mit uns ihre Ansicht darüber, was einen Digital Leader in der heutigen Geschäftswelt erfolgreich macht.

 

Was macht einen Digital Leader aus und wie unterscheiden sie sich von einer traditionellen Führungskraft?

Sunnie J. Groeneveld: Ein Digital Leader minimiert die Risiken der digitalen Transformation und maximiert gleichzeitig den Mehrwert für das Unternehmen. Um dies zu erreichen, ist ein neuer Führungsansatz erforderlich. Insbesondere müssen Digital Leader nicht nur ein tieferes Verständnis für Technologie haben, sondern auch enthusiastischer, inspirierender, flexibler und risikobereiter sein als frühere Generationen von Manager*innen. Nur so können sie Innovationen vorantreiben.

Darüber hinaus reagieren sie offen auf neue Arbeitsweisen und verstehen die Vorteile der Iteration sowie der datenbasierten Entscheidungsfindung. Sie kombinieren dieses Fachwissen mit einem hohen Mass an Empathie und exzellenten Kommunikationsfähigkeiten, sowohl virtuell als auch von Angesicht zu Angesicht. Ein weiteres entscheidendes Element der digitalen Führung ist der Unternehmergeist und ein hohes Mass an Kundenorientierung über alle Kanäle hinweg. Digitale Führungskräfte hören nie auf zu lernen und sind leicht paranoid, dass eine neue digitale Innovation ihr Geschäftsmodell jederzeit auf den Kopf stellen könnte.

 

Welche Rolle spielt Digital Leadership bei der Förderung von Innovation und Transformation in Unternehmen? Wie sollten digitale Führungskräfte diese Herausforderung am besten angehen?

Sunnie J. Groeneveld: Führung geht am besten mit gutem Beispiel voran. Damit sich ein Unternehmen an einem umfassenden digitalen Transformationsprozess beteiligen oder eine wichtige Innovation vorantreiben kann, ist stets Führung von oben erforderlich. Während des gesamten Innovationsprozesses hat sich dieser Führungsansatz als am effektivsten herausgestellt:

Treten Sie mehr als Coach*in und weniger als Kommandant*in auf.

Sunnie J. Groeneveld
Unternehmerin, Speakerin und Studiengangsleiterin des Executive MBA Digital Leadership an der HWZ

Wenn Sie innovativ sind, hat keine einzelne Person alle Antworten. Dies bedeutet, dass Sie führen müssen, indem Sie die relevanten Fragen stellen und Ihrem Team vertrauen, anstatt so zu tun, als ob Sie die richtigen Antworten kennen. Wenn Sie als Coach*in führen, inspirieren Sie andere, sich mit Ihren Fragen zu beschäftigen, fördern Neugier und Offenheit und ermöglichen so, neue und bessere Antworten für die Zukunft Ihres Unternehmens zu finden.

Sie haben das Buch “Inspired at work- 66 Ideas for more Engagement and Innovation in Corporations” mitverfasst. 

 

Können Sie uns konkrete Beispiele nennen, wie Unternehmen das Engagement und die digitale Innovation sowohl in Führungsteams als auch im gesamten Unternehmen steigern können?

Sunnie J. Groeneveld: Eine Fallstudie aus dem Buch behandelt eine von uns entwickelte Softwarelösung namens Lunch-Lottery.com. Es schafft während Mittagspausen zufällige Begegnungen innerhalb eines Unternehmens, wobei Algorithmen für das beste Ergebnis optimiert werden. Das bedeutet, dass Lunch-Lottery möglicherweise eine C-Level-Führungskraft mit einem Lehrling oder eine VP of Marketing mit einem neu eingestellten Finanzprofi zusammenbringt. Unternehmen wie LafargeHolcim oder PwC verwenden die Software, um interne Silos zu reduzieren und die Zusammenarbeit über Abteilungen und Hierarchieebenen hinaus zu verbessern.

 

Unsere Arbeitsweisen befinden sich in einem rasanten Wandel und digitale Innovationen sind mittlerweile weit verbreitet. Wie sehen Sie die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen Führungsteams?

Sunnie J. Groeneveld: Ich stelle mir eine Zukunft vor, in der Führungsteams erkennen, dass die Zusammenarbeit mit Ökosystemen und Netzwerken - sei es intern über Hierarchien und Abteilungen hinweg oder extern über Branchen und Sektoren hinweg - ihrem Geschäftserfolg zugute kommt. Ausserdem stelle ich mir vor, dass Führungsteams immer digitaler vernetzt werden und dank Dokumenten in der Cloud, nützlichen Tools für das Sitzungsmanagement von Führungskräften wie Sherpany, sowie Videokonferenzlösungen von überall aus zusammenarbeiten. (Vermerk: dieses Interview wurde noch vor der COVID19-Krise geführt).

In Zukunft werden Führungskräfte möglicherweise Meetings in der virtuellen Realität abhalten, bei denen jede*r Teilnehmende durch einen Avatar vertreten wird.

 

Warum ist Geschwindigkeit im modernen Geschäftsumfeld wichtig? Und wie kann Digital Leadership die Geschwindigkeit von Entscheidungsprozessen erhöhen?

Sunnie J. Groeneveld: Geschwindigkeit ist besonders wichtig, wenn es um disruptive Innovationen geht. Eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit besteht darin, mit dem Tempo des digitalen Wandels Schritt zu halten und disruptive technologische Entwicklungen aktiv zu antizipieren.

Um den Entscheidungsprozess zu beschleunigen, empfehle ich, Jeff Bezos “Brief an die Aktionär*innen” zu lesen, in dem er erklärt, wie Hochgeschwindigkeits-Entscheidungen bei Amazon funktionieren. Seine Hauptpunkte sind: "Die digitale Transformation ist in erster Linie ein vom Menschen getriebener Veränderungsprozess." 

Zweitens empfiehlt er, dass die meisten Entscheidungen wahrscheinlich mit nur etwa 70 % aller gewünschten Informationen getroffen werden sollten. Wenn Sie auf 90 % warten, seien Sie in den meisten Fällen wahrscheinlich langsam, argumentiert er. In jedem Fall müssen Sie gut darin sein, schlechte ​strategische Entscheidungen ​schnell zu erkennen und zu korrigieren. Wenn Sie gut in der Kurskorrektur sind, kann es weniger kostspielig sein, falsch zu liegen, als Sie denken, während es mit Sicherheit teuer sein wird, langsam zu sein. Drittens empfiehlt er, den Ausdruck "disagree and commit”, zu deutsch also “nicht einverstanden sein, sich aber trotzdem verpflichten" zu verwenden, wenn Diskussionen zu stark im Kreis verlaufen, was er im oben genannten Aktionärsbrief ausführlicher erläutert.

 

In Bezug auf die jüngsten Trends in Bezug auf digitale Innovation, Mitarbeiter-Engagement und Zusammenarbeit: Worauf sollen sich Digital Leader im Jahr 2020 konzentrieren?

Sunnie J. Groeneveld: Im Jahr 2020 und darüber hinaus sollten sich Führungskräfte stärker auf die Tatsache konzentrieren, dass der technologische Wandel mit dem kulturellen Wandel in Unternehmen einhergeht: Man kann nicht eins ohne das andere haben.

Ein einfaches Beispiel dafür, wie diese beiden Bereiche untrennbar miteinander verbunden sind, ist das Folgende: Ein CTO kann sich dafür entscheiden, die branchenweit beste, Cloud-basierte, und datengesteuerte Plattform für die Zusammenarbeit einzuführen. Wenn die Organisation aber in Silos arbeitet und die Mitarbeitenden sich untereinander Misstrauen entgegen bringen, wird das Projekt sein Potenzial nicht ausschöpfen.

Die digitale Transformation ist in erster Linie ein vom Menschen getriebener Veränderungsprozess.

Sunnie J. Groeneveld
Unternehmerin, Speakerin und Studiengangsleiterin des Executive MBA Digital Leadership an der HWZ


Sie können nicht in neue Technologien investieren, ohne gleichzeitig in die Personalentwicklung und den organisatorischen Wandel zu investieren. Daher empfehle ich den Führungskräften, sich auf diese Dichotomie für 2020 zu konzentrieren, nicht nur aus intellektueller, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Dies ist der einzige Weg zu dauerhafter Innovation, Engagement und Zusammenarbeit.

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Sunnie J. Groeneveld
Über den Autor
Sunnie J. Groeneveld ist Unternehmerin, Verwaltungsrätin, Autorin und Rednerin. Sie ist Gründerin und Managing Partner des Beratungsunternehmens Inspire 925 sowie Verwaltungsratsmitglied von drei Schweizer Unternehmen.