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Wie man eine agile Kultur schafft

Dr. Marcus Raitner, Head of Agile bei Allianz Consulting, spricht mit Moderator Ingo Notthoff über den Aufbau agiler Kulturen und die Rolle von Führungskräften und Mitarbeitern im Prozess zu einer agilen Organisation.

Marcus Raitner
Podcast “The Agenda”

“The Agenda” von Sherpany geht auf die Herausforderungen von Führungskräften ein und beschreibt den Weg von der Problemstellung bis hin zur Entscheidung. In dieser einzigartigen Podcast-Reihe mit Podcast-Moderator Ingo Notthoff zeigen sich Führungskräfte und Expert:innen von ihrer offenen Seite. #LeadingTogether

In dieser Podcast-Folge hören Sie:

Dr. Marcus Raitner, Head of Agile bei Allianz Consulting, der über die Gründe spricht, wieso es wichtig ist, agile Kulturen zu schaffen und wie Unternehmen diesen Prozess starten können. Vor dem Hintergrund eines promovierten Informatikers begleitet Marcus heute als Agil Coach Unternehmen auf ihrer Entwicklungsreise zu „Elefanten, die tanzen können“ in einem agilen Umfeld. Außerdem ist er Autor von „Manifest für menschliche Führung“, ein Buch über neues Leadership in Zeiten der Digitalisierung.

Nachfolgend finden Sie einige Themen, über die in der Podcast-Folge gesprochen wird, die Ihnen helfen, mehr darüber zu erfahren, was es bedeutet, eine agile Unternehmenskultur zu schaffen:

  • Welche Fragen man sich auf dem Weg zur Agilität stellen sollte
  • Warum „agil sein“ so wichtig ist
  • Wie man Agilität durch das Zusammenführen von Personen und Teams steigert
  • Ziel und Zweck von Meetings in agilen Organisationen

 

Wie man agile Kulturen schafft mit Dr. Marcus Raitner

Welche Fragen man sich auf dem Weg zur Agilität stellen sollte

"Der tanzende Elefant ist ein agiles Unternehmen. Der scheinbar Schwerfällige kann tanzen, kann agil werden. Genau darum geht es. Sie haben jetzt einige Unternehmen von innen gesehen und auch zur Agilität begleitet. Es geht um Business-Agilität. Es geht darum, anpassungsfähig zu sein in einer Welt, die immer komplexer, diverser und unvorhersagbarer wird. 

Und in dieser Welt braucht es neue Fähigkeiten. Es braucht die Fähigkeit, schneller zu reagieren sowie sich schneller an etwas Neues anpassen zu können. Und das haben Unternehmen die letzten 30, 40, 50 Jahre nicht gelernt. Sie haben anders optimiert. Sie haben auf Effizienz optimiert, auf Stabilität, auf andere Märkte. Und jetzt, seit 10, 20 Jahren, erleben wir sehr viel mehr Komplexität. Und diese Komplexität braucht die Agilität der Unternehmen, um überlebensfähig zu sein.

Welche Fragen sollten sich Unternehmen zu Beginn stellen?

Die erste und wichtigste Frage ist immer „wozu“. […]

Agilität hat zunächst einmal nichts mit Effizienz zu tun, auch wenn so ein Sprint sich vielleicht schnell anfühlt. Im Grunde geht es darum, schnell etwas zu liefern, dem Kunden etwas zu geben und aus dieser Lieferung ein Feedback zu bekommen, um daraus entscheiden zu können, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder ob wir etwas ändern müssen. Und deswegen ist mir dieses „Was“ am Anfang so wichtig."

 

Wieso „agil sein“ so wichtig ist

"Jedes Unternehmen ist in gewisser Weise agil. Das ist eine steile These. Müssen sich Unternehmen, die überleben wollen, ständig an ihre Umwelt anpassen? Müssen sie neue Produkte erzeugen? Die Frage ist, passt die Anpassungsgeschwindigkeit zu der Umgebung? Meine These bzw. die These von vielen ist, dass sich die Umgebung, bzw. die Geschwindigkeit im Außen die letzten Jahrzehnte signifikant erhöht hat, aber die Fähigkeit der Unternehmen, sich daran anzupassen, nicht. 

Sie stecken noch in einem Paradigma fest, das vor 20 Jahren gültig war, aber heute nicht mehr passt. Wenn wirklich jedes Unternehmen agil wäre, dann müsste man sich keine Gedanken mehr darum machen. Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verändert hätten, was nicht der Fall ist, müssten sie sich nicht verändern. Die Frage ist, wie stark haben sich die Rahmenbedingungen verändert? Wie stark haben sich die Märkte verändert im Vergleich zur Vergangenheit? Wie viel mehr Agilität brauchen wir? […]

Die Amazon-Webseite verändert sich quasi jede Sekunde, weil irgendein Microservice irgendwo neu deployed wird und das Ding besteht aus mehreren hundert oder so. 

Spotify probiert ständig etwas Neues für die Kunden aus und wenn der Button links unten besser funktioniert, dann bleibt er links unten. Fertig. Diese Grundhaltung von ständig etwas Neues auszuprobieren und daraus zu lernen kann man bei agilen Unternehmen sehr schön beobachten. Agilität heißt empirisches Vorgehen. Das heißt, wir arbeiten mit Hypothesen, die wir am Markt falsifizieren oder verifizieren."

Agilität ist eine Reaktion auf das Verstehen der Umgebung.


Wie man Agilität durch das Zusammenführen von Personen und Teams steigert

"Ich glaube, Empowerment, also sie [Personen] wirklich mitgestalten zu lassen, ist der entscheidende Faktor. Peter Sengi hat mal gesagt ‚Menschen sind nicht gegen Veränderung, sie sind dagegen, verändert zu werden‘. Das ist der Kern des gesamten Change-Managements in der Agilität, also die Betroffenen zu beteiligen.

Wie bindest du diese Leute ein?

Von Anfang an. Zum Beispiel bei BMW hatten wir in der IT dieses Change-Vorhaben. Wir nannten es ganz bescheiden ‚100 Prozent agil‘. Und es war eben nicht top-down. Wir haben im stillen Kämmerchen überlegt, wie die Zukunft der Organisation aussehen könnte und haben es im Rahmen eines lustigen Change-Theaters ausgerollt und die Mitarbeiter überzeugt. 

Stattdessen haben wir diese Vision gemalt und ganz bewusst gesagt: Wir wissen eigentlich gar nicht, wie wir dorthin kommen. Wir brauchen die Hilfe, Ihr müsst mitmachen. Wir machen das vom Kleinen ins Große. Wir lernen langsam, wir entwickeln diese Modelle und die Arbeitsweise gemeinsam. Das dauert natürlich viel länger, aber durch diese Beteiligung und dieses Empowerment der Mitarbeiter dürfen sie mitgestalten […] 

Die Führung in agilen Organisationen gestaltet Rahmenbedingungen, gestaltet den Kontext, in dem die Mitarbeiter arbeiten, gibt die nötigen Informationen, fast alle Informationen, sodass quasi alle Mitarbeiter wie der Chef entscheiden können. Darum geht es. Das ist das grundlegende Prinzip. Aus dieser sehr gesteuerten, sehr kleinteiligen, sehr microgemanagten Grundhaltung rauszugehen hin zu einer Haltung von ‚Ich muss Rahmenbedingungen gestalten, in denen Mitarbeiter wachsen können‘ […] Ich zitiere gerne den CEO von Netflix, der in dem Netflix Culture Statement sagt, ´context, not control‘ ist sein Paradigma. Also er gibt den Kontext, muss ihn aber nicht kontrollieren. Und er ist stolz darauf, wenn er als CEO keine Entscheidungen trifft. 

Der Kunde kauft kein Marketing, kein HR oder kein Design per se, sondern er kauft das fertige Produkt. Das heißt, wir müssen uns die Wertschöpfungskette ansehen. Und dann sehen wir, dass diese Wertschöpfung von Abteilung zu Abteilung zu Abteilung wandert und unterbrochen ist. Das ist das Problem. Wenn wir agil werden wollen, dann werden wir das nur, wenn wir entlang dieser Wertschöpfungskette in einem Team interdisziplinär zusammenarbeiten. Ansonsten haben wir immer diese Handovers, dann können wir nur jede Abteilung für sich agil machen."

 

Ziel und Zweck von Meetings in agilen Organisationen

"Agile Organisationen sind besser, weil nur Meetings stattfinden, die wirklich benötigt werden, um die Arbeit voranzubringen. 

Es gibt auch Meetings in Scrum, die sind sinnvoll im Sinne dieses Arbeitsablaufs. Meetings haben verschiedene Zwecke. Einerseits gibt es Koordinationsmeetings, das klassische Daily Meeting in einem Scrum-Setup, wo sich das Team täglich ein paar Minuten trifft und einfach sagt, wo stehen wir, wo gibt es vielleicht Probleme. Das dient einfach nur der Koordination. Wenn ich weiß, dass dieses Meeting täglich stattfindet, dann kann ich die restlichen 95% der Zeit auch meetingfrei überstehen. Ich kann mich darauf verlassen, dass es wieder stattfindet und kann etwas am nächsten Tag ansprechen. 

Die zweite Kategorie von Meetings, die ich in agilen Organisationen vorfinde, ist, um diesen Rhythmus, diesen Zyklus aufrechtzuhalten. Es gibt immer irgendetwas, das vorausschauend geplant wird. Was machen wir die nächsten drei Wochen? Was wollen wir erreichen? Am Ende dieses Zyklus wird evaluiert, was wir erreicht haben und was wir daraus lernen können. Diesen Zyklus findet man immer. Und auch die Meetings dazu haben einen klaren Zweck. Einerseits planen wir, andererseits schauen wir darauf zurück, was wir erreicht haben und reflektieren darüber, was wir verbessern können. Es gibt eine ganz klare Struktur, was mit diesen Meetings erreicht werden soll. 

Das standardmäßige Konzernmeeting ist meistens eine Mischung daraus und schlecht vorbereitet.

Wie sieht ein sinnvolles Meeting für dich aus?

Es hat einen klaren Zweck. Es ist gut vorbereitet und für meinen Geschmack auch schriftlich vorbereitet. Ich mag diesen Ansatz von Jeff Bezos sehr gern mit seinen Narrative-Memos, wo er sagt‚ jetzt müssen erst einmal sechs Seiten als Entwurf geschrieben werden, nicht in PowerPoint‘. Und dann lesen wir gemeinsam zu Beginn des Meetings, sodass wir alle auf demselben Stand sind."

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Marcus Raitner
Über den Autor
Dr. Raitner begleitet Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. In der Vergangenheit arbeitete er in der IT für verschiedene Unternehmen. Seit 2022 unterstützt er die agile Transformation der Allianz Gruppe weltweit. Dr. Raitner ist publizierter Autor und Speaker.