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Die Rolle von Vorständen in Deutschland und der Schweiz

Cornelia Ritz Bossicard, Vorstandsmitglied und Präsidentin von SwissVR, spricht mit dem Moderator des Podcasts, Ingo Notthoff, über die Unterschiede zwischen den Vorständen in der Schweiz und Deutschland sowie über den Nutzen von KI für die Vorstandsarbeit.

Cornelia Ritz Bossicard
Podcast “The Agenda”

“The Agenda” von Sherpany geht auf die Herausforderungen von Führungskräften ein und beschreibt den Weg von der Problemstellung bis hin zur Entscheidung. In dieser einzigartigen Podcast-Reihe mit Podcast-Moderator Ingo Notthoff zeigen sich Führungskräfte und Expert:innen von ihrer offenen Seite. #LeadingTogether

In dieser Podcast-Episode hören Sie:

Cornelia Ritz Bossicard, Mitglied des Verwaltungsrates, Präsidentin von SwissVR und Gründerin der 2bridge AG, spricht über die Unterschiede und Verantwortungsbereiche zwischen Verwaltungsräten in der Schweiz und Aufsichtsräten in Deutschland. 

Cornelia Ritz Bossicard hat in verschiedenen Organisationen in Europa, den Vereinigten Staaten und in Asien gelebt, gearbeitet und vertritt die Meinung, dass Veränderung die neue Konstante ist. In einer schnelllebigen, anspruchsvollen Welt haben die Verwaltungsräte von heute die wichtige Aufgabe, neue Chancen zu erkennen und die damit verbundenen Risiken abzuwägen - und sie zu kontrollieren. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich Cyberrisiken und technologische Innovationen wie künstliche Intelligenz entwickeln, ist das eine echte Herausforderung.

In dieser Podcast-Episode erfahren Sie mehr über die Verantwortlichkeiten von Vorständen, über geopolitische Veränderungen sowie deren Auswirkungen auf die heutige Geschäftswelt. Zudem erläutern wir, wie Vorstände und Geschäftsleitung zusammenarbeiten können, um den langfristigen Unternehmenserfolg sicherzustellen. In dieser Folge werden die folgenden Fragen beantwortet:

  • Was sind die Unterschiede zwischen dem Schweizer Verwaltungsrat und den deutschen Aufsichtsräten?
  • Wie kann der moderne Verwaltungsrat den Wandel beeinflussen?
  • Geopolitische Veränderungen: Wie können sich Vorstände auf die Zukunft vorbereiten?
  • Verwaltungsratssitzungen: Wie können Verwaltungsräte eine erstklassige Sitzungsvorbereitung gewährleisten?
  • Welche Auswirkungen hat KI, heute und in Zukunft, auf die Unternehmensführung?

 

Die Rolle von Vorständen in der Schweiz und in Deutschland

Was ist der Unterschied zwischen dem Schweizer Verwaltungsrat und den deutschen Aufsichtsräten?

"Die Antwort ist ganz einfach. Der Verwaltungsrat macht eigentlich alles, außer das, was er delegieren kann. Der Verwaltungsrat ist laut Schweizer Gesetz das oberste Aufsichts- und Gestaltungsorgan einer Gesellschaft. Die meisten Themen können wir delegieren, aber es gibt einige, von denen das Schweizer Gesetz nicht vorsieht, dass man sie delegiert. Wenn ich auf drei Aspekte näher eingehe, ist dies einerseits die Verantwortung für die Unternehmensstrategie. In anderen Ländern, wie etwa in Deutschland, liegt diese Verantwortung bei der Geschäftsleitung oder dem Vorstand und nicht beim Verwaltungsrat, beziehungsweise dem Aufsichtsrat. Das ist ein bedeutender Unterschied.

Und zum Zweiten ist da die Organisation. Eine der Hauptaufgaben des Verwaltungsrates ist es, den richtigen CEO zu ernennen. Und drittens gibt es die Finanzkontrolle, und hier insbesondere auch die Pflicht, im Falle einer Überschuldung ein Gericht zu informieren. Das ist übrigens auch typisch Schweiz und verhält sich in Deutschland anders.

Wie konkret sehen die Aufgaben eines Schweizer Verwaltungsrates aus?

Ein Beispiel: Wenn wir eine Verwaltungsratssitzung haben und planen, dann betrachten wir nur die Themen, die wir wirklich auch adressieren müssen. Wenn ich das Beispiel der Strategie nehme, geht es darum, zusammen mit der Geschäftsleitung zu evaluieren, wie sich das Umfeld verändert hat, was neue technologische Entwicklungen sind, welche uns, oder auch unsere Konkurrenz treffen können. 

Es werden Strategien entwickelt und durch den Verwaltungsrat genehmigt. Dies hat entsprechend auch einen Einfluss auf das Einsetzen von Ressourcen und auf das Priorisieren unserer Aktivitäten, insbesondere auch in der Budgetierungsphase.

Schauen wir auf den Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz. Wo liegt der Unterschied zwischen einem Verwaltungsrat und einem Aufsichtsrat?

Einerseits gibt in der Schweiz der Gesetzgeber gewisse Regeln vor, die den Wirkungskreis des Verwaltungsrats vergrößern. Ein deutscher Aufsichtsrat hat typischerweise keine Strategieverantwortung, ein Schweizer Verwaltungsrat schon. Entsprechend ist die Aufgabenteilung in Deutschland zwischen Vorstand und Aufsichtsrat anders als in der Schweiz zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. [...] 

Woran erkennst du eine gute Unternehmensführung?

Es gibt ja verschiedene Blickwinkel: Wenn ich von außen auf eine Unternehmung schaue, würde ich sagen, ein Indiz dafür ist der Erfolg am Markt. Wenn man die Unternehmen von innen betrachtet, erkennt man, es geht nicht nur darum, was man macht, sondern auch, wie man es macht. Sehr hilfreich, oder für mich auch unabdingbar für eine gute Unternehmensführung, ist, dass ein Vertrauensverhältnis besteht, auch zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.

Ein wichtiger Bestandteil hierfür ist Transparenz, auch in der Kommunikation. Dazu braucht es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Führung und Kontrolle. Weiter ist es wichtig, dass alle Personen das relevante Wissen, die Kenntnisse und Erfahrungen haben und ausreichend Zeit zur Verfügung steht, sich mit den Fragestellungen auseinanderzusetzen. Und wenn ich noch einen dritten Aspekt hinzufügen kann, dann diesen: Kritikfähigkeit und stetiges Lernen ist wichtig, auch im Verwaltungsrat."

 

Wie kann der Verwaltungsrat Wandel vorantreiben?

"Das hängt stark von der Rolle des Verwaltungsrates ab. Klar, als Verwaltungsrat agieren und entscheiden wir als Gremium. Wenn ich Mitglied bin oder, insbesondere, wenn ich Präsidentin des Verwaltungsrates bin, habe ich sehr viele Gespräche auch außerhalb der Sitzungen. Als Verwaltungsratspräsidentin bin ich auch sozusagen die Sparring-Partnerin der CEOs. Das heißt, da ist einerseits das informelle Gespräch, aber auch das Spiegeln von Fragestellungen, gerade auch in der Ressourcenplanung.

Die Strategie bestimmt die Anforderungen an unsere Ressourcen. Daher ist es wichtig zu erkennen, ob wir die richtigen Kompetenzen am Tisch haben. Wenn es beispielsweise um das operative Management geht, dann ist das wieder die Verantwortung der CEOs.

Veränderung herbeizuführen ist ja nicht immer ganz einfach. Wie gehst du denn persönlich vor, wenn du sagst: Das ist ein Punkt, der mir nicht gefällt, oder da müssen wir das Unternehmen in eine andere Richtung lenken?

Zuerst einmal ist es wichtig zu erkennen, dass wir überhaupt in eine andere Richtung gehen müssen, und die unterschiedlichen Perspektiven zu identifizieren. Es gibt verschiedene Wege, die nach Rom - oder zum Ziel - führen. Wichtig ist, zu definieren: Was ist die Vision, was ist die Strategie, die wir haben? Das heißt, der erste Anknüpfungspunkt, um Veränderungen anzugehen, ist über die Strategiediskussion.

Wenn wir dann auf dieser Stufe Einigkeit haben und die Vision gemeinsam sehen, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich kann eine Perspektive haben, jemand anderes eine andere. Und das kann auch beides funktionieren. Diese Veränderung kann man auch durch Gespräche anstoßen, durch Verstehen und Abwägen von Vorteilen und Nachteilen. Zielkonflikte gehören immer dazu.

Eine der Aufgaben, die wir im Verwaltungsrat haben, ist dabei zu helfen, zu fokussieren, zu priorisieren und Entscheidungen zu treffen. Welchen Weg gehen wir, mit all den Vor- oder auch Nachteilen? Und bei unterschiedlicher Auffassung: Wie entscheiden wir, welcher Weg der richtige ist? Oder zumindest der erfolgversprechende? 

Aber es ist klar, mit den verschiedenen Expertisen im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung haben wir auch ganz unterschiedliche Erfahrungen am Tisch. Und wenn die Geschäftsleitung nicht mitgeht? Dann stellt sich die Frage, was ist der Grund dahinter? Es kann ja etwas geben, das wir nicht wissen. Aber am Ende des Tages, wenn es um die strategische Entscheidung geht, liegt die Entscheidungsgrundlage beim Verwaltungsrat."

 

Der Wandel ist die neue Konstante. Es liegt in der Verantwortung des Vorstands, neue Chancen und Risiken zu erkennen.


Geopolitische Veränderungen: Wie können sich Verwaltungsräte auf die Zukunft vorbereiten?
Wie bewertet der Verwaltungsrat die aktuelle Situation?

"Wir haben letzten Sommer eine Umfrage gemacht. Spannend war zu sehen, dass die geopolitischen Entwicklungen sowohl als Herausforderungen, als auch als Chancen gesehen werden. Ich gebe dir mal einige Zahlen und Fakten dazu.

Knapp die Hälfte der Leute hat gesagt, die Verfügbarkeit und die Kosten von Rohstoffen und Energie, sowie die Unterbrechung der Lieferketten sind top Herausforderungen. Etwa ein Drittel nannte Ertragseinbußen aufgrund von Problemen der Kunden und auch etwa ein Drittel hat die steigende Zahl der Cyberangriffe genannt.

Wenn wir jetzt von den Herausforderungen zu den Chancen gehen, gibt es ebenfalls ein Drittel, die eben diese Chancen sehen, und zwar für Produkt- und Dienstleistungsinnovationen oder auch für höhere Kosten- und Prozesseffizienz. Wir haben aber auch gesehen, dass etwa ein Fünftel in der geopolitischen Entwicklung gar keine Chancen sieht.

Was empfiehlst du Verwaltungsräten und Aufsichtsräten sowie der Geschäftsleitung, in Deutschland dann der Geschäftsführung, um sich auf die Zukunft vorzubereiten? 

Wichtig ist die Erkenntnis, dass alles im Wandel ist. Die Veränderung ist die neue Konstante, das ist wirklich etwas, das ich in den letzten vier, fünf Jahren immer mehr gesehen habe. Und es ist auch Aufgabe des Verwaltungsrats, neue Chancen und Risiken zu erkennen und diese zu steuern. Tatsache ist auch, die Polarisierung nimmt zu in der Welt und Corona hat gezeigt, dass die Krise als Katalysator wirken kann.

Wer hätte früher gedacht, dass wir Podcasts oder auch digitale hybride Meetings durchführen können, das wäre in gewissen Branchen undenkbar gewesen - und jetzt gehört es dazu. Wir haben auch gesehen - und das wird unterstrichen von Umfragen, die wir seitens Swisspower gemacht haben - dass Verwaltungsräte immer besser vorbereitet sind, mit jeder Krise sind wir wieder besser für neue, kommende Krisen gewappnet. [...]

Wenn du mich fragst, was heutzutage das größte Risiko ist, das ich für Unternehmen sehe, sind das ganz klar Cyberrisiken. Die Frage ist nicht, ob ich gehackt werde, sondern wann oder wann ich es merke. Und auch hier: je besser wir vorbereitet sind als Unternehmen, desto besser können wir reagieren."

 

Vorstandssitzungen: Wie können Verwaltungsräte eine erstklassige Sitzungsvorbereitung erreichen?

"Wenn ich Mitglied bin, dann lese ich die Unterlagen gründlich, bevor ich in die Sitzungen gehe. Als Erstes schaue ich mir die Agenda an. Was sind die Themen, die für die Verwaltungsratssitzung anstehen? Was sind die Unterlagen, die ich habe? Als Verwaltungsratspräsidentin gestalte ich auch die Agenda und habe viele Vorgespräche, sei das mit der Geschäftsleitung, teilweise auch mit Personen, die dazukommen, wie zum Beispiel die externe Revision.

Aufgrund dieser Gespräche oder dieser Vorbereitungen definiere ich auch, welche Themen mehr Vertiefung benötigen, wo wir diskutieren müssen, wo wir entscheiden müssen, was nur informativ ist, was ein Status-Update ist. Je nachdem ist die Tiefe der Vorbereitung unterschiedlich. Wichtig ist auch, zu realisieren, dass die verschiedenen Verwaltungsräte, die dann ja auch am Tisch sind, einen unterschiedlichen Wissensstand haben. Da ist es dann auch meine Aufgabe, die Leute abzuholen auf die Reise und für eine gute Entscheidungsgrundlage zu sorgen."

 

Welche Auswirkungen hat die KI, heute und in der Zukunft, auf die Unternehmensführung?

"Es ist ganz spannend, dass du diese Frage stellst, weil ich gerade vor zwei Wochen an einer Studie teilgenommen habe, die mich genau zu diesem Thema befragt hat. KI ist da.

KI ist da, und wird bleiben, und KI wird sich entwickeln. Ich denke, das gehört einfach zu unserem normalen, neuen Leben dazu. Wie sich das entwickeln wird, werden wir sehen. KI ist insbesondere hilfreich bei der Aufbereitung von Informationen für eine Entscheidungsgrundlage.

Ich sehe aber mehr Einsatzmöglichkeiten auf Geschäftsführerebene, auf operativer Stufe, als auf Verwaltungsratsstufe.

Wieso sage ich das? Für Verwaltungsräte ist das Thema Vertraulichkeit ganz wichtig. Es stellt sich die Frage, wie vertrauliche Informationen über KI abgewickelt werden können. Und wir als Verwaltungsräte tragen die Verantwortung. Diese kann ich nicht delegieren. Wenn du einige Jahre zurückblickst, gab es in Japan bereits ein KI-Element als Teil des Verwaltungsrates, meines Wissens nach heute nicht mehr. In der Schweiz habe ich das auch noch nie gesehen.

Ich würde sagen, solange die KI keine Verantwortung übernehmen kann, nicht in der Haftung mit dabei ist, sehe ich nur beschränkte Einsatzmöglichkeiten."

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Cornelia Ritz Bossicard
Über den Autor
Cornelia Ritz Bossicard ist Mitglied des Verwaltungsrats, Präsidentin von SwissVR und Gründerin von 2bridge AG, einer Unternehmensberatungsboutique. Seit über 25 Jahren arbeitet sie mit Unternehmen in den Bereichen Technologie, Handel und Dienstleistungen zusammen - von Start-ups bis hin zu internationalen Multimilliarden-Dollar Konzernen.